Kocherts Tier Monsterschüler


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Carmen litt unter Nikitas Gleichgültigkeit. Drei Tage ging der Junge ihr aus dem Weg. Doch am vierten Tag zeigte er sich ihr gegenüber wie verwandelt. Das abschreckende Pflaster klebte nicht mehr über seinem Auge. Er hinkte nicht mehr und der Verband an seiner Hand war entfernt worden. "Hi! Wie geht's?", mit diesen Worten fing er das Mädchen am Eingang zum Lernatelier ab, dabei grinste er breit. Erstaunt erwiderte Carmen: "Gut. Und dir?" Eigentlich wollte sie ihm die kalte Schulter zeigen, aber ihr Entschluss geriet augenblicklich ins Wanken. "In letzter Zeit war ich nicht gut drauf", bekannte Nikita freimütig. "Ich hatte Zoff mit meinen Eltern, mit meinen Freunden." "Du hast Freunde?", wunderte sich Carmen. "Na ja. Nicht hier in der Schule, aber da wo ich herkomme." "Und wo ist das?", stichelte Carmen. "Jetzt sag bloß nicht in der Lilienstraße 7." Ärgerlich strich sie sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ich weiß, ich habe dich reingelegt und du bist wütend auf mich. Tut mir echt leid." "Dafür ist es zu spät!", rief Carmen bissig. Sie wollte ihn stehen lassen, aber Nikita bat schnell: "Treffen wir uns heute nach Schulschluss im Keller?" Innerlich vollführte Carmen einen Freudensprung. Sollte dieser Tag, der wie die meisten Tage furchtbar langweilig begonnen hatte, doch noch spannend werden! "Vielleicht", erwiderte sie unbestimmt, um es ihm nicht zu leicht zu machen. "Ich warte auf dich!", rief Nikita ihr nach, ehe sie sich trennten. Kurz nach sechzehn Uhr öffnete Carmen, so leise wie es ging, die Brandschutztür im Schulkeller. Der Lichtkegel einer Taschenlampe blendete sie. Also war Nikita schon da. "Komm mit", bat er sie ruhig. "Der Keller hat einen geheimen Ausgang." Neugierig folgte Carmen ihm weiter in den Gang hinein. Nikita wandte sich einer Ziegelmauer zu. Er drückte einen verborgenen Mechanismus. Sogleich begannen die Steine sich auseinander zu schieben, bis ein Durchgang entstand. "Wow! Das Geräusch kenne ich", staunte Carmen. Dann lachte sie begeistert auf. Endlich passierte mal etwas Ungewöhnliches.

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