Monsterschüler

Nikita forderte Carmen auf, ihm in den Geheimgang zu folgen. "Äh, wohin geht's denn hier?", fragte das Mädchen vorsichtig. Der Gang war schwach beleuchtet und führte steil nach unten. "Lilienstraße 7 U", erklärte der Junge mit rauher Stimme. "U bedeutet unter der Stadt." Verwundert riss Carmen die Augen auf. "Du wohnst unter Großglockstadt?" Nikita nickte. "Eigentlich darf ich es dir nicht sagen", bekannte er mit einem schiefen Lächeln. "Aber wie können wir befreundet sein, wenn du das nicht weißt?" Das Mädchen schlug die Hände vor das Gesicht. "Du bist kein Normalo, sondern ein ...?" "Monster", ergänzte Nikita bitter. Wortlos starrten sie sich eine Weile an. "Jetzt wird mir einiges klar", flüsterte Carmen. "Deshalb kommst und gehst du wie du willst, weil du einen Geheimgang hast." Sie schüttelte ungläubig den Kopf. "Sag mir eins, warum hat man dich geschlagen?" Nikita seufzte. "Weil meine Freunde neidisch auf mich sind. Ich bin der Erste, der in die Killer- ich meine Schillerschule geht." Das Mädchen kicherte. "Ihr nennt unsere Schule Killerschule?" "Na ja", gab der Junge zögernd zur Antwort. "Was glaubst du, was ich hier für eine Angst habe." "Ach!", staunte Carmen. "Es weiß also niemand, wer du bist? Auch nicht die Lehrer?" "Bin mir nicht ganz sicher. Es ist eine Gemeinschaftsschule. Alle dürfen hin, warum nicht auch ich? Ich will was lernen. Mir ist das wichtig." "Habt ihr unten keine gute Schule?" "Nicht so eine gute wie hier oben." Carmen überlegte angestrengt, dann fragte sie: "Mache ich dir Angst?" Nikita blickte sie ruhig an. "Zuerst ja, aber dann war plötzlich die Angst weg." Die beiden Kinder sahen sich verunsichert an. "Du siehst gar nicht wie ein Monster aus", meinte Carmen verwirrt. "Viele von uns sehen kaum anders aus als ihr", erklärte Nikita verschmitzt. "Kommst du nun mit? Es wird dich doch nicht stören, dass wir unter dem Friedhof entlang müssen?" Das Mädchen blickte neugierig in den Gang. "Okay." Diese einmalige Chance, ein Abenteuer zu erleben, wollte sie nicht ungenützt verstreichen lassen.