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Laut gähnend verließ Carmen morgens das Haus. Kurz darauf grinste sie, ihr Handy zeigte eine neue Kurznachricht an. Nikita schrieb, ob sie ihn heute Nachmittag zum
Herbst-Sportfest im Untergrund begleiten würde. "Aber nur bis fünf Uhr", mailte sie zurück, "sonst krieg ich
garantiert Ärger zu Hause." Bisher hatte sie es geschafft, ihre gemeinsamen Unternehmungen mit Nikita vor ihren Eltern geheim zu
halten. Niemals würden sie dafür Verständnis aufbringen, dass ihre Tochter sich mit einem Monsterjungen, dessen Existenz sie
sich gar nicht vorstellen konnten, angefreundet hatte und nach der Schule im unterirdischen Teil von Großglockstadt unterwegs war.
"Unten treffen wir Goliath", erzählte Nikita ihr nach Schulschluss auf ihrem Weg durch den totenstillen Geheimgang zum
Friedhof. "Wer ist Goliath?" "Mein bester Kumpel." Rasch setzte Carmen ihre Augenklappe auf. "Ist er
gefährlich?" "Nicht die Spur. Außerdem weiß er über uns Bescheid." Die Kinder hasteten weiter, um möglichst
viel Zeit zu gewinnen. "Am 31. Oktober wird das Halloween-Rätsel bekannt gegeben", freute sich der Monsterjunge. "Was ist
das?" "Jedes Jahr denken sie sich ein Rätsel in Reimen für die Kids aus. Dabei geht es um den Halloween-Pokal. Wer ihn findet, wird
Halloween-King." "Und wenn ein Mädchen ihn findet?", stichelte Carmen. "Ist noch nie vorgekommen", erklärte Nikita
großspurig. "Und warum nicht?" "Weil es zu gruselig ist." Sie verließen den unterirdischen Friedhof durch das Tor mit der
Glocke. Bald darauf kam ihnen im Tunnel ein breitschultriger Junge entgegen. In seiner Begleitung war ein schwarzer Zottelhund. "Hi!", rief Nikita
aufgekratzt. "Mein Kumpel Goliath und Lan." "Beißt der?", fragte Carmen vorsichtshalber. "Lan nicht, aber ich."
Der Monsterjunge mit dem grünen Pausbackengesicht kniff eines seiner schiefergrauen Augen zu.

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